Kirche Kittendorf - Innenansicht nach Osten

Die älteste datierte Glocke von Mecklenburg-Vorpommern in Kittendorf

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Das kleine Örtchen Kittendorf im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte liegt zwischen Mecklenburgischer Schweiz und dem Tollensesee.

Kittendorf, dessen Gründung noch vor dem Jahre 1250 stattfand, ist in der Geschichte vor allem durch seinen Gutsbetrieb geprägt, der sich unter anderem ab dem Jahre 1690 im Besitz der Familie von Blücher befand. Da zu DDR-Zeiten das alte Gutshaus und die umliegenden Wirtschaftsgebäude unter starken Baumängeln durch Vernachlässigung litten, ließ im Jahre 1999 die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft die Reste des historischen Gebäudeensembles abreißen. Damit verlor Kittendorf durch die Vernichtung von insgesamt zwölf historischen Bauten seine ursprüngliche Ansicht als gewachsenes Gutsdorf. Öffentliche Kritiken am Abriß der kulturell wertvollen Gebäude konnten diesen nicht verhindern.

Bereits im vergangenen Jahr besuchte der Verfasser die Kirche, um dort die älteste datierte Kirchenglocke Mecklenburg-Vorpommerns in Augenschein zu nehmen.

Kirche Kittendorf - Innenansicht nach Osten
Kirche Kittendorf – Innenansicht nach Osten

Die Kirche selbst ist ein schwerer Feldsteinbau aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und gehört der Zeit des Übergangs vom romanischen zum gotischen Baustil an. Der senkrecht abschließende Chor ist mit einem Kreuzgewölbe überspannt. Das Langschiff trägt einen runden Pfeiler in der Mitte, der als Stütze für die vier Kreuzgewölbe dient, welche den Raum des Schiffes überspannen. Beachtenswert sind die beiden frühgotischen Portale im Schiff (Nord- und Südseite) sowie die Priesterpforte auf der Südseite des Chores. Bei der Renaissanceausstattung sind insbesondere der Altar (1603), die Kanzel (1596) sowie die Empore zu erwähnen.

Kirche Kittendorf - Innenansicht nach Westen
Kirche Kittendorf – Innenansicht nach Westen

Der im Westen anschließende Turm mit Rundbogenpforte ist ein schwerer und hoher Bau, der allerdings jünger als die Kirche selbst ist. Seine Entstehungszeit liegt im 14. Jahrhundert.

Von den ursprünglich drei vorhandenen Glocken besitzt die Kirche noch zwei Instrumente, welche im historischen Holzglockenstuhl (Bockstrebenkonstruktion) in rein zimmermannsmäßiger Ausführung hängen.
Die größte Glocke ist nicht mehr vorhanden. Sie wurde vermutlich aufgrund eines Sprunges eingeschmolzen. Allerdings ist ihre Inschrift bekannt.
Die zweitgrößte Glocke des Geläutes ist zugleich die älteste datierbare Glocke von ganz Mecklenburg-Vorpommern. Sie wurde im Jahre 1288 von einem unbekannten Meister gegossen. Bis heute wird sie per Hand geläutet. Ihre zweizeilige Inschrift lautet:

Anno Domini MCCLXXXVIII fusa sum
Übersetzung: Gegossen worden bin ich im Jahre des Herrn 1288

O rex glorie veni cum pace
Übersetzung: Oh König der Herrlichkeit, komme mit Frieden

Historische Glocken finden sich in Mecklenburg-Vorpommern noch recht viele, doch Glocken von einem solch hohen Alter sind nur noch sehr wenige erhalten. So beherbergt das Münster von Bad Doberan eine Glocke aus dem Jahre 1301 (in gotischer Rippe), die Marienkirche von Rostock eine Glocke, welche um 1300 (in gotischer Rippe) gegossen wurde und die Kirche von Kirchdorf (Insel Poel) ein Instrument, welches sehr wahrscheinlich im 13. Jahrhundert gegossen wurde (in gotischer Rippe). Eine datierte Glocke aus dem Jahre 1264 befand sich bis in das 18. Jahrhundert hinein in Carlow (West-Mecklenburg).

Darüber hinaus entdeckte der Verfasser im vergangenen Jahr in Mecklenburg-Vorpommern eine bis dato der Forschung unbekannte Zuckerhutglocke, welche höchstwahrscheinlich noch älter als die 1288 gegossene Glocke von Kittendorf ist. Die Datierungsfrage ist allerdings immer noch nicht endgültig abgeschlossen.

Kleine Glocke Kirche Kittendorf
Kleine Glocke mit historischer Schweißnaht

Im Schatten der jetzt großen Glocke von Kittendorf stand schon immer die kleinste Glocke des Geläutes, dies allerdings völlig zu Unrecht, handelt es sich schließlich um ein historisch und kunsthistorisch bedeutendes Instrument, welches mehr als 500 Jahre alt ist, wie der Verfasser ermitteln konnte. Der namentlich noch unbekannte Glockengießer verewigte sich mit seinem Gießerzeichen auf dem Instrument.
Die Inschrift der Glocke lautet:

o rex glorie k(sic!)riste veni cum pace

Die Glocke wurde vom Verfasser in einem beklagenswerten Zustand vorgefunden und musste nach Abschluss der Untersuchungen stillgelegt werden. Neben einem alten Riß, welcher laienhaft repariert wurde und bereits von innen wieder aufgesprungen ist, wurde vom Verfasser ein weiterer Riss festgestellt. Dazu kommt, dass die Glocke ihrer Krone beraubt und die Haube brutal durchbohrt wurde. Des Weiteren wurde nach einer Drehung der Glocke der Klöppel, welcher der Auswechslung bedarf, völlig falsch montiert. Die übrigen ungenügenden Armaturen für die Glocke sind bei diesem großen Schadensbild schon fast nicht mehr erwähnenswert.

Der Verfasser hat für dieses Instrument ein umfassendes Gutachten für die Gemeinde zur Restaurierung und Instandsetzung der Glocke angefertigt. Die große Schwierigkeit bestand vor allem darin, ein Kronenmodell zu finden, welches für die Glocke zu verwenden ist. Durch umfangreiche Recherchearbeiten konnten jedoch zwei Glocken desselben Gießers ausfindig gemacht werden, deren noch vorhandene Kronen als Model für die Rekonstruktion dienen werden.

Zum Zeitpunkt der Tonaufnahme war der Riss in der Glocke noch nicht bekannt, da sonst ein Läuten unterblieben wäre.

Leider sind die finanziellen Mittel der Gemeinde stark eingeschränkt, so dass die Glocke wohl noch lange Zeit schweigen wird, sofern die Gemeinde nicht mit großzügigen Spenden bedacht wird. Die klangliche Auferstehung der Glocke wäre umso wünschenswerter, da sich das über 500 Jahre alte Instrument ebenso bereits zu den ältesten Glocken Mecklenburg-Vorpommerns zählen darf.

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