Interview für Radio Vatican

Internationale Glockentagung in Bydgoszcz – Bericht Teil eins

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In loser Folge soll an dieser Stelle von der internationalen Tagung Glocken im christlichen Europa im polnischen Bydgoszcz (dt. Bromberg) berichtet werden.

Den Anfang macht ein Bericht vom Vortag des Tagungsbeginns. Zusammen mit einem Kollegen reiste der Verfasser bereits einen Tag vor Beginn der Tagung an, um in Bydgosz einige Geläute näher untersuchen zu können.

Da es in Polen grundsätzlich sehr schwierig ist Sondergeläute zu bekommen, war uns der Tagungsleiter Herr Dr. Gerard Guźlak im Vorfeld behilflich Kontakt zu den Gemeindepfarrern aufzubauen und Turmbesteigungen und nötige Sondergeläute zu arrangieren. Unser Augenmerk lag an diesem Tag auf Geläuten, welche in deutschen Glockengießereien gefertigt wurden.

Deutsche Turmuhr der Firma Weule in der Kirche sw. Trojcy zu Bydgoszcz
Deutsche Turmuhr der Firma Weule in der Kirche sw. Trojcy zu Bydgoszcz

Die Kirche sw. Trojcy (dt. Hl. Dreifaltigkeit) sollte zu Beginn auch gleich den campanologischen Höhepunkt dieses Tages gestalten. Sie besitzt das größte und tontiefste zusammenhänge Geläut der ehemaligen Glockengießerei Ohlsson (Dependance Lübeck), welches sich bis heute noch erhalten hat. Gegossen wurde es im Jahre 1911.
Die schwedische Glockengießerei Ohlsson unterhielt im 19. und 20. Jahrhundert einen Zweigbetrieb in Lübeck und lieferte von dort Glocken aus. Viele der von Ohlsson für deutsche Kirchen gegossenen Glocken sind jedoch nicht mehr erhalten, da sie als relativ junge Instrumente im Ersten und Zweiten Weltkrieg für Rüstungszwecke enteignet und eingeschmolzen wurden. Um so erfreulicher, dass sich in der Kirche sw. Trojcy noch ein vollständig erhaltenes Geläut dieser Gießerei befindet. Gemeinsam erfolgte die Untersuchung und Inventarisation des Geläutes, welches im Te Deum Motiv auf h° erklingt.

Interview für Radio Vatican
Interview für Radio Vatican

Bevor es an den Turmabstieg ging wurde noch schnell ein Pressefoto angefertigt, da uns bei unserem Termin auch ein Redakteur einer Nachrichtenagentur begleitete. Hinabgestiegen vom Turm ging es allerdings nicht gleich weiter. Nun folgte in der Sakristei noch ein Interview mit uns Dreien für Radio Vatican über unsere Tätigkeit und die bevorstehende Tagung, in dem Herr Dr. Guźlak freundlicherweise unsere Antworten ins Polnische übersetzte.

 

Im nachfolgenden Video können Sie sich einen Höreindruck des Ohlsson-Geläutes verschaffen, welches leider an verkröpften Stahljoch hängt.

 

Am nächsten anvisierten Ziel, der Kirche sw. Wojciech, erwartete uns bereits der Gemeindepfarrer. Hier galt es ein zweistimmiges Gussstahlgeläut des Bochumer Vereins für Gussstahlfabrikation aus dem Jahre 1913 näher zu untersuchen. Wie in Polen nicht selten anzutreffen war allerdings der Antrieb einer Glocke (der großen) – bisher unbemerkt – defekt. Der Pfarrer war jedoch sichtlich bemüht dieses Problem zu lösen und telefonierte sogleich nach einem Handwerker, der nach kurzer Zeit kam und sich auf die Fehlersuche begab. Nach vielem Probieren und dem Herbeiholen eines Lötkolbens konnte der Fehler allerdings nicht gleich behoben werden, so dass wir uns durch Zeitdruck genötigt sahen schließlich die große Glocke händisch mitzuläuten. Es wurde ein Seil befestigt und Herr Dr. Guźlak betätigte sich freundlicherweise als Glöckner, so dass auch hier eine ordentliche Tonaufnahme des Geläutes angefertigt werden konnte.

Im nachstehenden Video haben Sie daher die Möglichkeit auch dieses Geläut zu hören.

 

Luftbild der Kirche Najświętszego Serca Pana Jezusa zu Bydgoszcz (Photo Robert Sawicki under Creative Commons License 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/)
Luftbild der Kirche Najświętszego Serca Pana Jezusa zu Bydgoszcz (Photo Robert Sawicki under Creative Commons License 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/)

Unsere abschließende Station an diesem Tage sollte vor allem architektonisch noch einmal einen Höhepunkt darstellen. Wir besuchten die Kirche Najświętszego Serca Pana Jezusa (dt. Herz Jesu). Ein neobarocker Kirchenbau, welcher in den Jahren 1910 bis 1913 errichtet wurde und im Turm noch sein ursprüngliches Gusstahlgeläute aus dem Jahre 1912 beherbergt.
Zu diesem Termin verstärkte sich unsere Gruppe noch einmal. Zwei russische Kollegen des Moskauer Glocken Zentrums waren mittlerweile in der Stadt eingetroffen und von Herrn Dr. Guźlak aus dem Hotel abgeholt und zur Kirche gefahren worden.
Nach einem freundlichen Empfang und einem gutem Kaffee im Pfarrhaus ging es nach einer Besichtigung der Kirche auf den Turm. Hier gaben wir unseren russischen Kollegen zunächst einige Erläuterungen, da Glocken aus Gussstahl in ihrem Heimatland nicht üblich sind und daher das besondere Interesse der Beiden fanden. Insbesondere wurden dabei die Unterschiede zwischen Glocken aus Bronze und Gussstahl in ihren klanglichen und werkstofftechnischen Eigenschaften sowie in der Rippenkonstruktion erörtert.
Wie sich herausstellte, war auch hier der Läuteantrieb der kleinsten Glocke defekt, so dass diese schließlich für die Tonaufnahme getreten werden musste.

Im folgenden Video können Sie auch dieses Geläute hören.

 

An dieser Stelle sei den Pfarrgemeinden herzlich für die immer freundliche Aufnahme gedankt sowie insbesondere Herrn Dr. Guźlak, der durch seine Bemühungen die Untersuchungen erst ermöglichte.

Abschließend muss noch angemerkt werden, dass alle Geläute grundsätzlich mit digitalen Aufnahmegeräten und externen Mikrofonen von Außen aufgenommen wurden. Die hier gezeigten Videos sind mit einer Videokamera aufgezeichnet worden und besitzen für eine wissenschaftliche Auswertung keinerlei Relevanz, sondern dienen lediglich der Veranschaulichung.