Apostelglocke der Marienkirche in Anklam

Eine Stimme für Anklam: Das Glockenprojekt der Marienkirche in Anklam

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Die weithin sichtbare Backsteinkirche St. Marien in Anklam beherbergt ein dreistimmiges Geläut, wovon die größte Glocke, mit Namen Apostelglocke, von besonderer Bedeutung ist.

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Die Apostelglocke stellt eines der wertvollsten spätmittelalterlichen Glockenkunstdenkmäler Norddeutschlands und darüber hinaus dar. Sie wurde im Jahre 1450 von der Monkehagen-Werkstatt geschaffen und besitzt den Nominalton h° +10 bei einem Gewicht von ca. 4500 kg. Ihren Namen erhielt sie von den an der Schulter umlaufenden Rundmedaillons (unterhalb der Inschriftenzeile), welche meisterhaft gezeichnete (geritzte) Brustbilder der Apostel zeigen. Zudem finden sich auf der Flanke weitere Ritzzeichnungen, eine Kreuzigungsgruppe sowie Bildnisse des Hl. Nikolaus, der Hl. Barbara und der Hl. Ursula. Insgesamt zeigt sich die Apostelglocke als ein künstlerisches Meisterwerk und Hauptwerk spätmittelalterlicher Glockenritzungen dessen kunsthistrorischer Wert nicht hoch genug angesetzt werden kann.

Apostelglocke der Marienkirche in Anklam
Apostelglocke der Marienkirche in Anklam

Die Apostelglocke blickt jedoch auf eine wechselvolle und tragische Geschichte zurück. Sie wurde ursprünglich für die benachbarte St. Nicolaikirche gegossen und war die größte Glocke des dortigen Geläutes. Am 29. April 1945 wurde die St. Nicolaikirche jedoch von zurückweichenden deutschen Truppen in Brand geschossen. Das bedeutende mittelalterliche Geläut der Kirche wurde bis auf die Apostelglocke vollständig zerstört. Diese stürzte beim Turmbrand aus ca. 50 m Höhe schwer beschädigt zu Boden und büßte beim Absturz ihre Krone ein. Zudem erlitt sie einen Materialausbruch an der Schärfe. Durch die enorme Hitzeeinwirkung kam es zu einer Zinnausschwitzung in Teilen der Innenseite. Die Erwärmung der Glocke beim Brand und der Absturz aus dem Turm führte zudem zu einer leichten Verformung der Glocke. Das unkontrollierte Abkühlen und die Zinnausschwitzungen zerstörten schließlich ihr originales Klangbild. Da die St. Nicolaikirche schwer beschädigt war und die benachbarte St. Marienkirche (ebenfalls mit schweren Kriegsschäden) bereits 1947 schon wieder benutzt werden konnte, erfolgte die Aufhängung der Apostelglocke in der St. Marienkirche zusammen mit zwei neugegossenen Glocken aus der Glockengießerei Schilling in Apolda. Leider wurde der Glockenstuhl für eine solch große Glocke zu schwach dimensioniert und die Apostelglocke in ein stark verkröpftes Stahljoch gehängt und mit einem elekrtischen Läuteantrieb versehen.

Zu Beginn der 1990er Jahre wurde ein Läuteverbot für die Apostelglocke aufgrund der Glockenstuhlsituation, des verkröpften Stahljoches und den schweren Schädigungen der Glocke selbst ausgesprochen. Seitdem schweigt die Glocke und gibt nur noch ein bildhaftes Zeugnis von der meisterhaften Kunstfertigkeit ihres Gießers und Ritzmeisters ab.

 

Das Glockenprojekt von Anklam

Die Evangelische Kirchengemeinde Anklam hat sich für Sanierung der Glockenanlage entschieden. Damit einhergehend ist es nötig, den Glockenstuhl zu überarbeiten. Der Gemeinde wurde zudem der Neuguß von vier Glocken empfohlen, um dem Kirchenbau ein angemessenes Geläut zu verschaffen. Die Kosten werden mit ca. 250.000 EUR veranschlagt. Aufgrund dieser enormen Summe ist die Gemeinde auf Spenden angewiesen. Bitte unterstützen Sie das Spendenprojekt hier.

In den beiden nachstehenden Videos des Verfassers sehen und hören Sie die beiden 1947 gegossenen Glocken aus der Gießerei Schilling sowie die Apostelglocke. Zu Dokumentationszwecken wurde die Apostelglocke noch einmal per Hand geläutet.

© Sebastian Wamsiedler