DURCH HITZ UND FEUR BIN ICH GEFLOSSEN ADAM LEHMEIER HADT MICH GEGOSSEN IM NAMEN DER HEILIGEN DREIFALTIGKEIT GOT SEI GELOBET IN EWICHKEIT
350 Jahre alt wird sie in diesem Jahr, die große Dreifaltigkeitsglocke der Marienkirche zu Stralsund. Grund genug, dass sie am morgigen Sonntag mit einem besonderen Glockenfest gefeiert wird.
Von den drei mächtigen Backsteinkirchen Stralsunds besitzt St. Marien mit der 1663 von Adam Lehmeier gegossenen 4,9t schweren Dreifaltigkeitsglocke das größte Instrument der städtischen Hauptkirchen. Ihre musikalische und künstlerische Qualität hat das Instrument vor der Vernichtung während der beiden Weltkriege geschützt, so dass noch heute ihr kräftiges as° aus dem 104 Meter hohen Glockenturm über die Stadt erklingt.
Neben zwei 1647 von Adam Lehmeier gegossenen Uhrschlagglocken des Dachreiters hat St. Marien alle übrigen historischen Glocken über die Jahrhunderte eingebüßt. Nach Ende des Ersten Weltkrieges besaß die Kirche nur noch diese drei Glocken. Erst im Jahre 1969 wurde das Geläut um zwei Instrumente der Gießerei Schilling aus Apolda in der Disposition c1 und es1 ergänzt. Die drei Gefache des großen hölzernen Bockstrebenstuhles waren nun wieder gefüllt. Leider litten alle drei Läuteglocken bis vor kurzem noch unter starken Klangeinbußen, da sie allesamt an verkröpften Stahljochen hingen, die in der Volkswerft in Stralsund gefertigt wurden.
Nach der friedlichen Revolution konnte der Zustand der Glocken und der Glockenstube sukzessiv verbessert werden, in dem zunächst einmal die kostbare Dreifaltigkeitsglocke im Jahre 2000 geschweißt und an einem geraden Holzjoch mit neuem Klöppel montiert wurde.
Im Jahre 2010 wurde schließlich der Beschluß gefasst, neben der Sanierung der Glockenanlage auch eine Ergänzung vorzunehmen, da die kostbare Dreifaltigkeitsglocke der Schonung bedarf und die übrigen beiden Läuteglocken für ein liturgisch angemessenes Geläut nicht ausreichend sind. Zur Zeit laufen daher in der Gemeinde die Planungen für den Zuguss von zwei weiteren Glocken die St. Marien ein fünfstimmiges Geläut bescheren, welches der Kirche selbst und den in ihr stattfindenden liturgischen Feierlichkeiten angemessen sein werden.
In Vorbereitung auf die Geläuteerweiterung fanden in diesem Jahr bereits einige Maßnahmen statt. So wurde die Gebetsglocke (Nominal es1) aus ihrem Gefach entfernt und mit einem neuen Linearantrieb, Klöppel und Holzjoch ausgestatten über die Taufglocke (Nominal c1) gehängt, die ebenfalls einen neuen Klöppel sowie ein Holzjoch erhielt. Das damit frei gewordene dritte Gefach wird zukünftig die beiden neuen Glocken tragen.
Somit erhält die Marienkirche eine weitere Aufwertung, die sie neben ihrer berühmten Stellwagen-Orgel nun auch glockenmusikalisch als wichtiges musikalisches Zentrum Norddeutschlands prägen wird.
Kirchenmusikalisch stellt die Stadt Stralsund ohnehin ein wichtiges Zentrum dar. Neben den herausragenden Glocken, sind es vor allem die Orgeln der Hauptpfarrkirchen, die Stralsund zu einem musikalischen Zentrum ersten Ranges erheben. Erwähnenswert sind hier insbesondere die Orgeln der Erbauer Stellwagen, Buchholz und Mehmel, die jeweils bedeutende Instrumente ihrer Epoche darstellen. Da auch die weitere Glockenlandschaft Stralsunds zukünftig ergänzt wird – ein weiteres Glockenprojekt ist bereits angelaufen – wird die Stadt auch campanologisch zahlreiche Interessierte anlocken können.
Im nachstehenden Video des Verfassers erhalten Sie einen Einblick in die derzeitige Situation im Glockenstuhl von St. Marien und hören abschließend die Gebetsglocke während eines Probeläutens.