Von heute an bietet das Glockenmuseum im thüringischen Apolda die Sonderausstellung Die ehernen „Schwestern“ – Glocken und Kanonen an, die sich ganz im Sinne des 100-jährigen Gedenkens an den Beginn des Ersten Weltkrieges mit der Vernichtung von Glocken in Kriegen auseinandsetzt. Die Ausstellung ist bis zum 30.12.2014 zu sehen.
In Christian Morgensterns Gedicht „Die Schwestern“ streiten Glocke und Kanone um die Vorherrschaft. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor einhundert Jahren bietet Anlass, dieses außergewöhnliche archaische „Geschwisterpaar“ einmal näher zu betrachten. Glocken begleiten das menschliche Leben. Ihre älteste Bestimmung ist die Verkündung der christlichen Botschaft. Ihnen obliegt die Bekanntgabe von Taufe, Hochzeit und Beerdigung. Glocken warnen vor Unheil, rufen zum Aufstand, mahnen an die Vergänglichkeit alles Irdischen. Kanonen bringen Zerstörung und Tod. “ Die Kanone sprach zur Glocke: Immer locke, immer locke! … …Heute sind sie dein und beten, morgen sind sie mein und – töten….“
Die Glockengießer beherrschten auch den Kanonenguss. Bereits die im Mittelalter gebräuchliche Berufsbezeichnung des Stück- und Glockengießers verweist auf diese außergewöhnliche Ambivalenz. Auf Gießerwappen, Porträts und in Katalogen warben die Gießer parallel mit der Abbildung von Glocken und Kanonen: den Symbolen für Frieden und Krieg aus einer Hand.
Seit dem 15. Jahrhundert ließen Landesherren im Kriegsfall Turmglocken zu Kanonen umschmelzen. Napoleon Bonaparte, als glühender Verehrer der Glocken verbrieft, ordnete während der französischen Revolutionskriege deren Vernichtung an. Im Ersten Weltkrieg wurden etwa 65.000 deutsche Glocken zur Metallreserve eingeschmolzen. „Keiner von uns, der die furchtbaren Hammerschläge gehört hatte, als die Glocken oben im Turme zerschlagen wurden, würde lebenslang die schrillen, gellenden Klagetöne vergessen können“ schrieb 1917 ein Pastor über den Verlust der Glocken seiner Kirche.
In Friedenszeiten wurden Kanonen zu Glocken umgegossen. So dienten 1711 erbeutete türkische Kanonen als Glockenspeise für die große Glocke des Wiener Stephansdomes. Der Apoldaer Hofglockengießer Franz Schilling vermerkte in seinen Gießbüchern in den 1890er Jahren unter der verschmolzenen Metallmenge etliche „Pfund Kanonen“. Seit 2002 läutet in der Dessauer Innenstadt eine Glocke, die aus vier Tonnen Waffenschrott gegossen wurde.
Und so erwidert bei Christian Morgenstern folgerichtig die Glocke der Kanone: „…wird mich erst der Rechte läuten, wird es deinen Tod bedeuten.“