Neue Glocken für den Hildesheimer Dom

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Canta bona - die größte Domglocke mit 8686 kg Gewicht
Canta bona – die größte Domglocke mit 8686 kg Gewicht

Im Jahre 1960 wurde für den Hildesheimer Dom durch den bedeutenden Glockengießer Friedrich Wilhelm Schilling aus Heidelberg ein neues prächtiges Domgeläute geschaffen. Der Zweite Weltkrieg hinterließ von den ehemals 16 Läute- und Schlagglocken nur noch wenige Instrumente, die allerdings bis auf eine Glocke keine Verwendung bei der Neukonzeption des Geläutes finden konnten.

Der aus schweren Kriegsschäden wiedererrichtete Dom sollte ein 12-stimmiges Geläut in der Disposition
f° – as° – b° – c1 – es1 – f1 – g1 – b1 – c2 – es2 – f2 – g2 erhalten. Jedoch kam nur die Hälfte der Gesamtglockenanzahl zur Realisierung.

Im Jahre 1960 goss Friedrich Wilhelm Schilling die Glocken mit den Nominalen f° (Canta Bona), b° (Bernward), c1 (Godehard), es1 (Epiphanius) und f1 (Cäcilie). Die sechste Glocke wurde dem Altbestand entnommen. Es handelt sich dabei um ein im Jahre 1765 gefertigtes Instrument des Mainzer Glockengießers Johann Martin Roth. Da diese Glocke mit dem Namen Apostolica (Apostelglocke) allerdings ursprünglich im Nominal a° gegossen wurde und damit klanglich nicht in das neue Geläute passte, wurde sie von Schilling um einen Halbton tiefer auf den Nominal as° gestimmt. Ein bei Schilling immer wieder umstrittener Eingriff bei historischen Glocken, den man heute nicht mehr durchführen würde.

Blick in die untere Etage des Glockenstuhles
Blick in die untere Etage des Glockenstuhles

Da die Vorgängergeläute ursprünglich in einer anderen Disposition erklangen, nämlich von der Grundglocke her einen Halbton höher, die fünf größten Glocken in fis° – a° – cis1 – fis1 – gis1, das neue Domgeläut aber mit den Nachbargeläuten abgestimmt werden sollte, wurde eine völlige Neudisposition für das Domgeläut nötig. Bei den Nachbargeläuten sollten insbesondere die Geläute von St. Andreas mit der Disposition ges° – b° – des1 – es1 (eine geplante es°-Glocke konnte bisher noch nicht realisiert werden), Heilig Kreuz mit des1 – es1 – ges1 – as1 – b1 und die Basilika St. Godehard mit b° – des1 – es1 – f1 -as1 Berücksichtigung finden.

Die zur Zeit stattfindende große Generalsanierung des Hildesheimer Domes macht es nun endlich möglich, das bisher bestehende halb fertige Domgeläute – zur Zeit ein doppeltes Te Deum – endlich zu vollenden. Dabei wird die ursprünglich geplante Disposition allerdings leicht verändert, um musikalisch einen Halbtonschritt in die sechs neuen Glocken zu integrieren. Die Glocken werden daher zukünftig in der Disposition g1 – as1 – b1 – c2 – es2 und f2 erklingen. Der Halbtonschritt wird dabei eine besondere musikalische Bereicherung für das Geläute darstellen.

Noch in diesem Jahr werden die sechs neuen Glocken, deren Namen bereits feststehen, für den Hildesheimer Dom gegossen. Aufsteigend von der größten zur kleinsten Glocke werden die Instrumente folgende Namen tragen:

Martin von Tours ist einer der bekanntesten Heiligen der katholischen Kirche. Der Legende nach teilte er seinen Mantel mit einem Armen, was jährlich im November mit Martinszügen gefeiert wird.

Bischof Altfrid war einer der bedeutendsten Bischöfe des Bistums Hildesheim und hat sich unter anderem für den Umbau des Domes große Verdienste erworben.

Hedwig von Schlesien, auch Hedwig von Andechs, ist die Patronin der Heimatvertriebenen, von denen viele nach dem Zweiten Weltkrieg ins Bistum Hildesheim kamen und es entscheidend prägten.

Oliver Plunkett war Erzbischof und Primas in Irland. Er wird besonders in Lamspringe verehrt, wohin seine Gebeine im 17. Jahrhundert überführt wurden.

Niels Stensen, war ein dänischer Arzt, Anatom und Naturforscher, später Priester und Bischof. Er wirkte unter anderem als Apostolischer Vikar in Hannover.

Edith Stein war eine zum Katholizismus konvertierte jüdische Deutsche, die in den Orden der Karmelitinnen eintrat und in Göttingen Philosophie studierte. Sie wurde im KZ Auschwitz ermordet.

Historische Nikolausglocke abgestellt im Nordparadies - 1766 von Johann Martin Roth gegossen
Historische Nikolausglocke abgestellt im Nordparadies – 1766 von Johann Martin Roth gegossen

Nachdem ein Schwingungsgutachten für das Westwerk erstellt wurde, begannen im Februar 2013 die Arbeiten im Glockenturm, zunächst mit dem Zerlegen der bisherigen Glockenstühle.

In zukünftigen Artikeln werde ich weiterhin über das Glockeprojekt des Hildesheimer Domes berichten sowie auch die Glockengeschichte näher beleuchten. Offiziell wird das 12-stimmige Domgeläut erstmals am 15. August 2014 zu hören sein, wenn der Dom wieder seine Pforten öffnet.

In den nachfolgenden Videos des Verfassers sehen und hören Sie das bisher 6-stimmige Hildesheimer Domgeläute. Die Außenaufnahmen entstanden im Rahmen eines Sondergeläutes für CD-Aufnahmen, die Innenansichten aus den Glockenstuben entstanden hingegen am 10. Januar 2009, dem Tag der feierlichen Domschließung zur beginnenden Generalsanierung.

Video: Das bisherige 6-stimmige Plenum

 

 

Video: Die historische Apostelglocke


Video: In der oberen Glockenstube läuten die drei Glocken (Disposition c1 – es1 – f1)


Video: Unter dem anläutenden Trauermotiv f° – as° – c1 – f1 verschließt Bischof Norbert Trelle symbolisch den Hildesheimer Dom zur anstehenden Generalsanierung

 

Video: Die Canta bona läutet ein letztes Mal am Tag der Domschließung aus