Glocke

Klosterkirche Corvey - Nachguss der Bienenkorbglocke Cantabona aus dem 11. Jahrhundert
Klosterkirche Corvey – Nachguss der Bienenkorbglocke Cantabona aus dem 11. Jahrhundert

Die Glocke gehört musikalisch zur Gattung der Aufschlagidiophone. Idiophone sind Selbsttöner, die als Ganzes schwingend den Klang erzeugen oder bei dem der klangerzeugende Teil keine Membran oder Saite ist.

Die Glockengießerkunst in Europa ist über 1000 Jahre alt (in China weit älter) und wird bis heute in einer fast unveränderten Handwerkstradition fortgeführt. Gegenwärtig werden Glocken im Lehm-, Sand- und Zementformverfahren gegossen, wobei das Lehmformverfahren der traditionellen Herstellung entspricht.

Neuwerkkirche Goslar - Übergangsform Zuckerhutglocke mit ausgeprägtem Schlagring um 1300
Neuwerkkirche Goslar – Übergangsform Zuckerhutglocke mit ausgeprägtem Schlagring um 1300

In der Regel wird eine Glocke aus Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn, gegossen, da sich im Laufe der Jahrhunderte dieses Material als klangbestes und haltbarstes erwiesen hat. In Zeiten knapper Rohstoffe (meist durch Kriegseinwirkung) wurden Glocken allerdings auch in so genannten Ersatzwerkstoffen gegossen, mit zum Teil sehr beachtlichen Klangergebnissen. In den meisten Fällen handelt es sich bei den verwendeten Materialien um Gussstahl, Eisenhartguss, Euphon (Kupfer-Zink-Legierung), Weißbronze (Aluminiumlegierung), Zink und Sonderbronze (Zinnfreie Siliziumlegierung).

 

Aufmaß einer Glockenrippe
Aufmaß einer Glockenrippe

Die Form einer Glocke wird durch die Hälfte ihres Querschnitts, der so genannten Rippe beschrieben. Über die Jahrhunderte hindurch wurde mit dieser Rippenform experimentiert bis sich schließlich die heute gebräuchliste Form, die gotische Dreiklang-Rippe herausbildete. Dazwischen gab es die verschiedensten Formen. Im frühen Mittelalter hatten Glocken noch keinen ausgeprägten Wolm (unterer Teil einer Glocke) und wurden ihrem Aussehen nach als Bienenkorbglocken bezeichnet. Im 13. Jahrhundert entwickelte sich die Zuckerhutglocke. Diese besitzt eine sehr schlanke Flanke und einen weit ausladenden Wolm. Ab dem 15. Jahrhundert entwickelte sich die gotische Dreiklang-Rippe. Darüber hinaus finden sich zahlreiche Mischformen mit denen experimentiert wurde.

Halberstädter Dom - Domina 1999 gegossen mit 8320 kg
Halberstädter Dom – Domina 1999 gegossen mit 8320 kg

Das Klangverhalten einer Glocke hängt im Wesentlichen von ihrer Rippe ab. Die Tonhöhe von Kirchenglocken wird durch den Schlagton (Nominal) beschrieben. Besitzt eine Glocke beispielsweise den Schlagton c1 +2, so gibt die ergänzende Zahlenangabe den Sechzehntel-Halbtonschritt über oder unter dem Schlagton an bei einem Bezugswert von a1 mit 435 Hz. Allerdings ist der Schlagton meistens nicht im Frequenzspektrum der Glocke vorhanden, sondern ergibt sich durch die akustische Wahrnehmung beim Anschlagen der Glocke über das Residuumhören, indem aus den Obertönen der zugehörige Grundton abgeleitet wird. Die Glocke besitzt allerdings viele verschiedene Teiltöne, die in drei Gruppen klassifiziert werden: dem Unterton, den Teiltönen der ersten Oktaven oberhalb des Schlagtons (Prime bzw. Primvertreter, Terz, Quinte bzw. Quint-Vertreter, Oktave) und den Mixturtönen (Dezime, Undezime, Duodezime etc.). Die einzelnen Teiltöne können beispielsweise mit verstellbaren Präzisionsstimmgabeln ermittelt werden.

Im nachstehenden Video des Verfassers sehen und hören Sie die Bienenkorbglocke der St. Georgskirche zu Lutter am Barenberg. Die Glocke wurde in der Mitte des 12. Jahrhunderts gegossen.